Schweiz

Klimaseniorinnen erhalten Hass-Posts – Funiciello fordert Taten von FDP-Präsident Burkart

Klimaseniorinnen

FDP-Chef lässt Hass-Posts links liegen – Funiciello fordert Taten

· Online seit 27.04.2024, 13:00 Uhr
User beschimpfen auf Social Media die Klimaseniorinnen auf unterstem Niveau. Solche Kommentare haben sie auch unter einem Post von FDP-Präsident Thierry Burkart hinterlassen. Dass er diese ignoriert, geht SP-Nationalrätin Tamara Funiciello zu weit.
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Vor Blumen konnte sich Thierry Burkart als Ehrengast am Zürcher Sechseläuten kaum retten. Der Aargauer Ständerat, der bei den nationalen Wahlen im Oktober mit einem Glanzresultat wiedergewählt wurde, geniesst in der Bevölkerung viel Sympathie. Auf dem politischen Parkett glänzt der FDP-Präsident mit Sachlichkeit, Diplomatie und Kompromissfähigkeit.

Selbst wenn er sich richtig aufregt, bleibt ein Wutausbruch aus. Stattdessen schweigt er. Manchmal dauere dies tage- bis wochenlang, sollen mehrere Personen unabhängig voneinander dem «Tages-Anzeiger» berichtet haben. Ob er laut werde, wenn er sich Dinge eingestehe, die zuweilen schmerzlich seien, fragte die NZZ ihn einst. «Nein, im Gegenteil, eher verschlossen», antwortete Burkart. Ausgerechnet auf dem X-Profil des beherrschten Politikers stossen User auf Kommentare unterster Schublade.

Nüchterner Post als Auslöser

Die Beschimpfungen richten sich gegen die Klimaseniorinnen, deren Klage der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) kürzlich recht gab. So schimpft ein User, dass die Klimaseniorinnen «schon länger tot» wären, hätte die Schweiz vor vier Jahren «eine echte Pandemie gemacht». Ein weiterer User betitelt sie als «Altweiber bzw. dämliche Sennenduntschis». Ein User spottet: «Die Schweiz muss jetzt die Kühlräume für alte Frauen öffnen.»

Auslöser ist ein nüchterner Post Thierry Burkarts zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Burkart erwähnte in seinem Post ein Urteil des Bundesgerichts von 2020 nach einer abgewiesenen Beschwerde der Klimaseniorinnen. «Das Bundesgericht sagt in BGE 146 I 145 E. 4.3 zu den Klimaseniorinnen, was für die Schweiz gilt.» Darin verweist das Bundesgericht auf den Weg der direkten demokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten, um Anträge einzubringen.

«Erwarte, dass er solche Kommentare moderiert»

SP-Nationalrätin Tamara Funiciello kämpft an vorderster Front gegen Hassnachrichten im Netz und für Gleichstellung. «Ich erwarte gerade von Thierry Burkart, dass er solche Kommentare moderiert und Verantwortung übernimmt», sagt sie zur Today-Redaktion. Kritik sei in Ordnung. «Aber wenn man so auf Menschen zielt, geht es zu weit.»

In der Schweiz sei es immer noch schwierig, eine Frau zu sein, sagt Funiciello. «Niemand würde auf die Idee kommen, Männer im Parlament nach einem Erfolg so zu beschimpfen.» Dies rühre daher, dass Frauen in der Gesellschaft es nie richtig machen könnten. «Sie sind entweder zu jung, zu alt, zu wenig schön oder zu schön». Das zeige sich zum Beispiel darin, dass das Altsein bei Männern offenbar später anfange als bei Frauen. «Es scheint, als wären die Frauen unter 35 Jahren zu jung, zwischen 35 und 50 sind sie Mutter – und danach sind sie alt.»

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Die Frauen könnten es nicht recht machen, bilanziert Funiciello. Sie wünsche sich, dass Frauen, ob alt oder jung, bei ihren Handlungen der gleiche Respekt wie Männern entgegengebracht werde.

«Ändere meine Praxis nicht wegen Frau Funiciello»

Thierry Burkart lässt die Hass-Kommentare unter seinem Post links liegen. «Leider sind solche Kommentare auf X nicht unüblich. Die Nutzungsbedingungen sind, wie sie sind. Ich selber übernehme keine Verantwortung für die Posts von anderen Personen», sagt er zur Today-Redaktion. Seine Zeit reiche leider nicht, die Kommentare auf seine Posts anzuschauen und auf diese zu reagieren. «Leider sind auf X bekanntlich viele Kommentare aggressiv.»

Stattdessen spielt er den Ball Tamara Funiciello zu. «Frau Funiciello kann abfällige Kommentare wie jeder andere Nutzer beziehungsweise jede andere Nutzerin an X direkt melden», sagt Burkart. Die betreffenden User zurechtzuweisen oder deren Kommentare zu melden, kommt für den FDP-Chef nicht infrage. «Ich ändere meine Praxis nicht wegen Frau Funiciello. Es ist Sache von X gegen abfällige Kommentare vorzugehen.»

Glarner heizte Hass-Kommentare selber an

Auf viele Hass-Kommentare gegen die Klimaseniorinnen stösst man auf dem Facebook-Account von SVP-Nationalrat Andreas Glarner. Dieser hat die Reaktionen dagegen selbst angeheizt. In seinem Post bezeichnete er eine Vertreterin der Klimaseniorinnen als «Klimatante».

Der Aargauer Politiker hetzt online immer wieder gegen Personen und Gruppen. «‹Tanten› nannte ich die Damen, um einen höflichen, aber eventuell leicht ironischen Titel für die von Greenpeace instrumentalisierten und allenfalls sogar bezahlten älteren Damen zu verwenden», sagt Glarner. Die Kommentare habe er nicht gelesen, behauptet er. Nur schon aus Zeitgründen lese er die Kommentare zu seinen Posts meistens nicht.

Auf die Frage, ob er vorhabe, die betreffenden User zurechtzuweisen oder deren Kommentare zu melden, antwortet Andreas Glarner: «Nein, ich kann nicht selektiv beginnen, Kommentare zu kommentieren oder zu melden.» Genau dann würde ihm sicher einer «durchrutschen» und er würde dafür an den Pranger gestellt.

Klimaseniorinnen fehlen Kapazitäten

Die Klimaseniorinnen planen nicht, gegen die Hass-User vorzugehen. «Ich habe nicht im Sinn, solche Posts und Mails anzuzeigen», sagt Rosmarie Wydler-Wälti, Co-Präsidentin des Vereins. Das Ganze wäre nur sinnvoll, wenn es innerhalb eines feministischen Diskurses stünde. Dafür habe sie im Moment aber keine Kapazitäten. «Zum Glück handelt es sich bei den meisten Reaktionsmails sowieso um Glückwünsche.»

Vorstandsmitglied Stefanie Brander, die in der Romandie wohnt, fasst ihre Reaktion auf die User wie folgt zusammen: «Wir sagen hier: «Il faut laisser pisser.» Sie ist demnach der Meinung, dass die Klimaseniorinnen solche Kommentare vergessen sollen.

veröffentlicht: 27. April 2024 13:00
aktualisiert: 27. April 2024 13:00
Quelle: ZüriToday

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